Unser Präsenzmeeting am 10.04.2019 mit einem Vortrag von Michael Schwickart

Sea-Watch ist Ende 2014 aus einer Initiative von Freiwilligen entstanden, die dem Sterben im Mittelmeer nicht mehr länger tatenlos zusehen konnten.

In seinem Vortrag an unserem heutigen Präsenzabend nahm uns Michael Schwickart, Crewmitglied und Spendenorganisator, zu Sea-Watch mit. Retten statt Reden ist sein Credo.

Der 9. November und die Erinnerung an die vor vielen Jahren innerhalb Deutschlands gefallene Grenze, die soviel Leid verursachte, sei für die Gründer Anlaß gewesen, etwas gegen das Sterben an der „Tödlichsten Grenze der Welt im Mittelmeer“ mit seit 2015 bis heute 15.000 Toten zu tun. Die innerdeutsche Grenze sei eine unnatürliche, willkürliche gewesen und für das Mittelmeer als Grenze gelte das ebenso.

Sie hätten deshalb aus eigenen Mitteln 160.000 Euro für einen 98 Jahre alten holländischen, 21 m kurzen Fischkutter aufgebracht, ihn Sea-Watch getauft und bereits im ersten Jahr 2.500 Menschen aus Seenot gerettet. 2017 sei er durch die Sea-Watch 2 und die dann Ende 2017 bei politisch angespannt gewordener Lage durch die 55 m lange Sea-Watch 3, die erstmals eine Krankenstation habe mit der Menschen auch an Bord behandelt werden könnten, ersetzt worden.

Hinzugekommen sei mit der ‚Moonbird‘ ein Flugzeug, um Menschen in Seenot zu finden, aber auch, um Menschenrechtsverletzungen durch nicht helfen wollende Schiffsbesatzungen dokumentieren zu können.

Spätestens mit dem Regierungswechsel in Italien Mitte 2018 habe sich die sehr gute Zusammenarbeit mit dem MRCC Roma, der zentralen Rettungskoordinierungsstelle für das Mittelmeer, deutlich verschlechtert. Auch die anderen EU-Staaten, die das Land mit ihrer restriktiven Flüchtlingsaufnahme allein gelassen hätten, seien dafür verantwortlich, daß Italien keine Flüchtlinge mehr in's Land lasse.

Seit ihrer Gründung hätten sie mit fünf ehrenamtlichen Vorständen, 38 Mitgliedern und sieben bis acht Beschäftigten, von denen drei als Kapitän, Maschinist und Decksmanager auf dem Schiff erforderlich seien, aktuell 38.000 Menschen im wesentlichen in einem rund 50 km breiten Streifen außerhalb der 24 Meilen-Zone vor der Libyschen Küste gerettet. Auf der Sea-Watch 3 gebe es unter den 22 Besatzungsmitgliedern aktuell vier medizinisch ausgebildete und immer auch einen Journalisten.

Nachdem die Sea-Watch 3 drei Monate lang wegen eines Gerichtsbeschlusses nicht von Malta habe auslaufen dürfen, verweigerten ihr nun die niederländischen Behörden, unter deren Flagge das Schiff registriert ist, wegen nicht erfüllter Bedingungen das Auslaufen; bei der Formulierung der einzuhaltenden Bedingungen hielten sich die Niederlande jedoch zurück.

In der anschließenden Diskussion blieb auch die These, die außerhalb der 24 Meilen Zone vor Libyen aktiven Rettungsschiffe würden allein durch ihr Dasein Schleuserbanden Vorschub leisten, nicht unberücksichtigt.

Zur Ergänzung:

Auf https://sea-watch.org/das-projekt/ueber-uns/ war am 9.4.19 zu lesen: „Die Europäische Union setzt sich für Demokratie und Menschenrechte ein, schottet sich jedoch gleichzeitig immer weiter gegen Menschen auf der Flucht ab, sei es durch milliardenschwere Grenzsicherungsanlagen oder völkerrechtlich bedenkliche und umstrittene Rückübernahmeabkommen mit Drittstaaten wie der Türkei. Aufgrund dieser Abschottung ertrinken jährlich Tausende Menschen bei dem Versuch einen sicheren Hafen der EU zu erreichen, viele von ihnen in Sichtweite unserer Ufer und Strände.

Deshalb haben wir uns der Seenotrettung verschrieben. Kein Mensch sollte auf der Flucht und in der Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben an den Außengrenzen der Europäischen Union sterben.

Die Lücke einer institutionalisierten, flächendeckenden Seenotrettung mit klarem Mandat, wie etwa Mare Nostrum, die mehr als 130.000 Menschen retteten aber von der EU nicht übernommen und daher beendet wurde, versuchen wir so lange wie möglich und im Rahmen unserer Möglichkeiten zu füllen. Wir halten dies für unsere humanitäre Pflicht. Dass jedoch private Organisationen die Seenotrettung im Mittelmeer anstelle von Staaten übernehmen, kann und sollte kein Dauerzustand werden! Wir fordern eine internationale, institutionalisierte Seenotrettung mit eindeutigem Mandat und auf lange Sicht vor allem legale und sichere Einreisewege für Schutzsuchende im Sinne einer #SafePassage.

Seit Anfang 2015 arbeitet unsere ständig wachsende Organisation, die vor allem aus engagierten Freiwilligen aus ganz Europa besteht, an der Projekt-Organisation und Umsetzung von Sea-Watch. Wir finanzieren uns ausschließlich aus Spenden.

Wir versuchen so viele Menschen wie möglich vor dem Tod durch Ertrinken zu bewahren. Sea-Watch war bisher an der Rettung von weit über 35.000 Menschen beteiligt.“

Text: Th. Schaath
Fotos: Th. Schaath



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